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Identitätsbewahrung ist keine Sackgasse für die Integration

14-09-2016
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Ethnische Identität spielt bei der  Persönlichkeitsgestaltung eine wichtige Rolle. Ihre Bewahrung und Stiftung in der Fremde führt zu einer neuen, höheren Qualität eines Zusammenwachsens mit der Muttergesellschaft. Wir waren am 10. September Augenzeuge von der Bestätigung dieser Theorie in den Armenischen Kulturtagen, die das Museum der Europäischen Kulturen noch bis zum 06. November veranstaltet. Der Tag begann mit einem gemeinsamen Andacht in der Evangelischen Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem, gemeinsam vom Pfarrer der Armenisch-Apostolischen Kirche Ter Gnel Qahana Gabrielyan und von Pfarrerin der ev. Jesus-Christus Gemeinde in Zellendorf zelebriert. Diese Zeremonie war für die ev. Glaubensgemeinde nicht ganz neu, da Viele unter Ihnen bereits in den letzten zwei Jahren an den armenischen Hl. Messen in verschiedenen Kirchen Berlins teilgenommen hatten. Unmittelbar nach dem Andacht lernten die armenischen und deutschen Gemeindemitglieder einander kennen und es wurde eine lebhafte Diskussion zwischen beiden Gemeindemitgliedern am Runden Tisch im Kirchenvorhof durchgeführt.  

 

Im Anschluss verlegte sich das Veranstaltungsfeld ins Museum der Europäischen Kulturen in Berlin-Dahlem, wo ein Stand mit armenischem Kaffe und mit armenischen Spezialitäten auf die Gäste wartete. In der Eingangshalle des o.a. Museums bereiteten die Jungen Armenierinnen und Armenier ein Armenisch-Workshop vor, indem sie sowohl durch eine kreative Lehrmethode mit lateinischen Transkriptionen und bunten Bildern, als auch mit interessanten armenischen Druckbuchstaben am Stempel den interessierten Wissenshungrigen armenische Sprache und Schrift in einem Schnellkurs beibrachten. Der Armenisch-Unterricht führten gut aussehende Armenierinnen während des ganzen Tages durch. Zugleich verlief eine Führung durch die Fotoausstellung "Traumorte" im ersten Stockwerk des Museums durch die Leitung der Museumskuratorin Dr. Jane Redlin. Sie stellte die in Fotos festgehaltenen verschiedenen Orte in Städten und Landschaften Armeniens vor, welche durch die Armenier aus Armenien und aus der Diaspora aufgenommen worden waren, und interpretierte Diese von unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven. Sie erzählte die Geschichte zur Entstehung der ausgestellten Lichtbilder und erläuterte die Annäherungsphilosophien der Autoren dieser Fotos hinsichtlich ihrer emotionellen Bindung an Armenien und zum Ausdruck eigener heimatländischen Sehnsüchte aus der Ferne.   

 

Über die theoretische Wahrnehmung der armenischen Fotokunst hinaus wurde die armenische Kultur zur praktischen Ausübung live in Gesang- und Tanz-Workshops für die TeilnehmerInnen in der Eingangshalle des Museums der Europäischen Kulturen angeboten. Herr Artak Kirakosyan, Gesangslehrer der Schule zu AEAE e.V., brachte das Lied "Erebuni-Jerewan" den Mitgliedern des Gesangs-Workshops bei. Erstaunlich schnell und unkompliziert eigneten sich die nicht-armenischsprachigen TeilnehmerInnen die Worte und Musik des o.a. Lieds an und sangen im Chor mit. Im Tanz-Workshop, das Herr Arshak Ghalumyan, Tanzlehrer in der Schule zu AEAE e.V., bat, übten die Lehrlinge Tanzbewegungen der nationalen Tänze "Kotschari" und Schalacho" eine Stunde lang ganz intensiv. Beim ersten Tanz konnten die fleißigen Mitmacher gerade noch die Synchronisierung der choreographischen Tanzbewegungen in Griff bekommen, beim Letzteren war sie aber wegen der knappen Zeitdauer nicht möglich.  

 

Nach so reichhaltigen Kulturerlebnissen versammelten sich die Besucherinnen und Besucher des "Armenier-Tages" vor der Museumsgelände zu einem Meinungsaustausch über das Thema "Die Tendenzen der armenischen Identitätsentfaltung in Deutschland und die Integration der Armenier in die deutsche Gesellschaft". Vor der Debatte stellten die drei armenischen Organisationen in Berlin ihre Tätigkeit und Ziele dar. Edgar Khachatryan, Vorsitzende des Vereins  Junge Armenier in Deutschland erklärte vor über 30 TeilnehmerInnen die Rolle und Bedeutung dieser Organisation in der Kräftebündelung der jungen Armenierinnen und Armenier und ihre aktive Involvierung in die unterschiedlichsten Veranstaltungen in und um Berlin. Dann übergab er das Wort an Frau Sona Eypper, Vorsitzende der Armenischen Kirchen- und Kulturgemeinde Berlin. Sie erzählte über die Entstehung und den Werdegang der ältesten armenischen Gemeinde in Berlin und handelte die diversen Probleme ab, welche die Gemeinde während dieser ganzen Jahre  überwältigen musste. Das Streben, eigene Identität zu bewahren, war bei den Völkern, die ein Genozid durchlebt haben, stets aktuell, denn Diese konnte man für Mittel und "Waffe" für die Durchsetzung der Gerechtigkeit halten, nämlich zwecks der Anerkennung des Völkermords an Armeniern, wofür die Armenier in Diaspora, darunter auch in Deutschland, bereits in 5 Generationen kämpfen. Frau Eypper merkte aber auch an, dass eine gewisse Ermüdung bei ihrer Generation insbesondere nach der Verabschiedung der Armenien-Resolution durch den Deutschen Bundestag am 02. Juni dieses Jahres ersichtlich war. "Das hängt mit der Alterung der armenischen Gemeinde  in Berlin zusammen", so Frau Eypper. Der 1. Vorsitzende des AEAE e.V. fand, dass es möglich sei, die Ermüdung zu überwinden, wenn man die Planung und Durchführung der Aktivitäten jeweils den Fachleuten überlassen würde. In diesem Fall würden sowohl die armenischen Sonntagsschulen ihre Unterrichtsstunden reibungslos gestalten, als auch Vereine jegliche kulturellen, bildenden und forschenden Maßnahmen frei entwickeln und qualitativ auf ein besseres, professionelles Niveau bringen. Auf diese Art und Weise unternahm der AEAE e.V. in Berlin die Organisation und Ausführung der Deutsch-Armenischen Kulturtage 2015-16. Diese leisteten durch die finanzielle Unterstützung des Auswärtigen Amtes u.a. auch ihren bescheidenen Beitrag im Anerkennungsprozess vom Deutschen Bundestag. Der Meinungsaustausch begann mit der Frage, ob die Identitätsbewahrung ein Störfaktor auf dem Weg der Integration der Individuen in Deutschland wäre. Die Antworten der jungen Armenier auf diese Frage zeigten, dass eine Person durchaus im Stande sei, zwei und mehrere Kulturen in sich zu tragen und die unterschiedlichsten Mentalitäten zu verinnerlichen, indem sie von jeder die stärkste Seite übernehmen und dadurch Kreativität und mehrseitig gebildete persönlichen Charaktere entwickeln könnte, wie z.B. das deutsche logische Denken mit armenischen Emotionen zu kombinieren.  Diese könnte bei der Entfaltung der Persönlichkeiten vorzügliche menschliche Qualitäten hervorbringen. Die Bewahrung der ethnischen Identität würde dadurch keine Sackgasse für die Integration sein, sondern eher eine anregende Ergänzung und Bereicherung für die deutsche Mentalität.  

 

VIDEOS:

https://www.youtube.com/watch?v=IcXFN3UyECQ  (Lied "Erebuni-Jerewan", Gesangslehrer Artak Kirakosyan)

https://www.youtube.com/watch?v=NX4mL4Cn18g  (Tanzchoreographie "Kotschari", Tanzlehrer Arshak Ghalumyan)

https://www.youtube.com/watch?v=c3C_DO2Vzjk (Sona Eypper- Vorsitzende der Armenischen Kirchen- und Kulturgemeinde in Berlin e.V.)

https://www.youtube.com/watch?v=HaqiGg6S3O8 (Mikayel Minasyan- 1. Vorsitzende des AEAE e.V.)